Mercedes-Benz 300 SL Bilder

Der Mercedes-Benz 300 SL „Flügeltürer“ wird 50

Nur ganz wenigen Autos ist ewige Jugend beschieden. Der Mercedes 300SL Coupé ist eins davon. Das Unternehmen präsentierte den Sportwagen im Februar 1954 auf der „International Motor Sports Show“ in New York. Seitdem ist der Wagen eine Ikone und wurde 1999 zum „Sportwagen des Jahrhunderts“ gewählt. Immer noch wirkt er frisch mit seiner flachen, eleganten Karosserie. Für Faszination sorgen die Flügeltüren, wenn sie sich erheben und den Weg in einen knapp geschnittenen Innenraum freigeben. Die Geschichte des 300 SL ist gleichzeitig die Geschichte von Maximilian E. Hoffman: Der amerikanische Importeur drängte das Werk, solch ein Auto zu bauen – und er bekam es. 1954 lief die Produktion des Coupés an und schon 1957 nach nur 1400 Stück aus. Doch der 300 SL lebt.

Von der Rennstrecke auf die Straße
Der Mercedes-Benz 300 SL entsteht zunächst als reinrassiges Rennsportauto (W 194). 1952 fährt das Coupé die wichtigen Rennen des Jahres mit großem Erfolg: Beim Preis von Bern gelingt der Dreifachsieg. Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans beendet der Rennsportwagen mit einem Doppelsieg, sehr zur Überraschung der Wettbewerber. Am Nürburgring wiederum ein Dreifach-Erfolg. Und schließlich die Carrera Panamericana Mexico – wieder holt ein 300 SL den Sieg. Damit hat sich Mercedes-Benz grandios im Rennsport zurückgemeldet und knüpft an die großen Erfolge vor dem Zweiten Weltkrieg an.

Eine Serienfertigung des 300 SL ist zunächst nicht geplant. Doch Maximilian („Maxi“) Hoffman liegt dem Vorstand schon länger mit einem Wunsch in den Ohren: Der offizielle Importeur für Mercedes-Benz in Amerika wünscht für seine betuchte Kundschaft einen Sportwagen. Basis könne das Rennsport-Coupé sein. Nach langem Abwägen fällt die Entscheidung: Die Straßenversion des 300 SL (W 198) kommt und gleichzeitig noch ein kleinerer offener Sportwagen, der 190 SL (W 121).

Keine sechs Monate nach dem Vorstandsbeschluss sollen die beiden Sportwagen ihre Premiere feiern – in Amerika, auf der „International Motor Sports Show“ in New York, die dort vom 6. bis 14. Februar 1954 stattfindet, damals die wichtigste Automesse jenseits des Atlantiks. Der Wettlauf mit der Zeit gelingt. Mercedes-Benz erlebt auf der Motor Show eine enorm positive Resonanz auf den 300 SL und seinen kleinen Bruder, den 190 SL. Die Serienproduktion beginnt im August 1954 im Werk Sindelfingen. Der Preis wird mit 29.000 Mark festgelegt – damals eine enorme Summe. Ein Mercedes 170 Vb kostet zuletzt 7900 Mark.

Die Karosserie
Die Karosserie des 300 SL folgt vor allem einem Gesetz: einen möglichst geringen Windwiderstand zu bieten. Daraus resultiert fast zwangsläufig die schnörkellose und zweckgebundene Form, die sich heute noch als frisch und attraktiv präsentiert. Der ganze Wagen wirkt wie aus einem Guss, wohlproportioniert – und sehr sportlich, stets auf dem Sprung nach ganz vorn.

Das Auto ist ein Publikums-Magnet, nicht zuletzt wegen seiner Flügeltüren. Sie sind Dreh- und Angelpunkt des Designs, dabei aber kein marktschreierischer Gag, sondern sie haben eine zwingende, konstruktiv bedingte Ursache. Denn die Aluminiumhaut des 300 SL bedeckt einen Rohrrahmen, der an den Fahrzeugflanken zum Vorteil der Stabilität weit nach oben reicht – herkömmliche Türen kann man nicht unterbringen. So ersinnt man den Einstieg von oben. Im englischsprachigen Raum bekommt der 300 SL wegen seiner wunderschön ausgebreiteten Flügeltüren den Beinamen „Gullwing“. Die Eleganz der Seitenansicht wird nicht von einem Türgriff gestört – ein dezenter Stab lässt sich aus der Karosserie schwenken, entriegelt das Schloss und lässt die von einer Teleskopfeder unterstützte Tür nach oben schwenken.

Der Rohrrahmen – übrigens von Rudolf Uhlenhaut konstruiert – vereint höchste Stabilität mit geringem Gewicht. Sehr dünne Rohre werden zu lauter Dreiecken zusammengesetzt, der fertige Rahmen ist extrem verwindungssteif und wird nur auf Druck und Zug beansprucht. Im Serien-SL wiegt der Rahmen gerade mal 82 Kilogramm und das gesamte fahrfertige Auto inklusive Reserverad, Werkzeug und Treibstoff 1295 Kilogramm.

Die Karosserie des 300 SL wird zum größten Teil aus hochwertigem Stahlblech hergestellt, die Motorhaube, die Kofferraumklappe, die Schweller- und Türhaut jedoch aus Aluminium. Auf Wunsch und gegen einen verhältnismäßig geringen Aufpreis besteht die gesamte Karosserie aus Leichtmetall, was das Auto um 80 Kilogramm leichter macht. Diese Option gönnen sich nur 29 Kunden – heute sind diese Autos sehr begehrt.

Die Technik
Die Technik des 300 SL basiert zum Teil auf der Limousine Mercedes-Benz Typ 300, ein Auto, das gern von Staatsoberhäuptern und Industriellen gefahren wird und als „Adenauer-Mercedes“ bekannt ist. Der Sechszylinder-Motor wird stark modifiziert und erhält unter anderem statt Vergaser eine Benzin-Direkteinspritzung, zur damaligen Zeit und noch lange danach ein technisches Schmankerl. Am Ende steht eine Leistung von 158 kW (215 PS). Damit erreicht der 300 SL je nach Hinterradübersetzung bis zu 260 km/h. Fünf unterschiedliche Übersetzungen sind erhältlich: Serienausstattung ist 1:3,64, die vor allem auf hohe Beschleunigung abgestimmt ist und 235 km/h ermöglicht. Eine noch bessere Beschleunigung bieten 1:3,89 und 1:4,11. Die Übersetzung 1:3,42 bietet eine höhere Endgeschwindigkeit, die noch einmal auf 260 km/h gesteigert wird mit der dritten Übersetzung von 1:3,25. Diese jedoch „verringert sehr die Beschleunigung, so dass der Wagen im Großstadtverkehr nicht mehr so gut zu fahren ist“, heißt es in der Verkäufer-Information. In 10 Sekunden sind 100 km/h erreicht. Den Verbrauch ermittelten zeitgenössische Autotester mit durchschnittlich rund 15 Liter Benzin. Im Heck ist ein 100-Liter-Tank untergebracht, der gegen Aufpreis auf bis zu 130 Liter erweitert wird.

Damit der Motor im flachen Auto überhaupt untergebracht werden kann, wird er um 45 Grad nach links geneigt. Jedoch nimmt das Aggregat dem Beifahrer etwas Fußraum weg. Der Schwerpunkt liegt fast genau in der Fahrzeug-Mitte, was eine gute Voraussetzung für exakt und schnell gefahrene Kurven ist. Das Fahrwerk entspricht im Wesentlichen dem der Limousine des Typs 300a, ist aber sportlicher abgestimmt. Die zunächst verwendeten Trommelbremsen sind auf die Sportwagen-Leistung ausgelegt. Erst viel später, 1961 als Roadster, erhält der 300 SL rundum Scheibenbremsen.

Der Innenraum
Der Innenraum des 300 SL zeigt den edlen Sportwagen – gediegen, aber nicht luxuriös. Standardmäßig wird für den Sitzbezug Stoff in drei karierten Mustern angeboten. Doch die meisten Kunden entscheiden sich für Leder. Für die Karosserie ist Silbermetallic die Standardfarbe, gern wird auch Rot, Dunkelblau oder Schwarz bestellt.

Das Einsteigen in den 300 SL erfordert Übung aufgrund des knappen Raums – schließlich hat man es mit einem Sportwagen zu tun. Damit die Beine einfacher in Richtung Pedale gefädelt werden können, lässt sich das Lenkrad nach unten klappen. Hat man das Einsteigen geschafft, überzeugt die Ergonomie: Die Arme greifen das Lenkrad im exakt richtigen Abstand, die Füße finden problemlos die Pedale. Der 300 SL ist ein Fahrerauto. Die Armaturentafel des 300 SL wirkt äußerst aufgeräumt und sehr übersichtlich, im Hauptblickfeld sind – natürlich – Drehzahlmesser und Tachometer.

Das Fahrverhalten
Beim Fahren wird der 300 SL den Buchstaben SL gerecht: Sportlich und leicht ist das Auto. 215 PS für rund 1300 Kilogramm – damit ist eine gute Beschleunigung garantiert, insbesondere mit der passenden Hinterradübersetzung. Das Drehmoment sorgt für guten Anzug bei jeder Geschwindigkeit. Die Lenkung arbeitet direkt, das Fahrwerk lässt das Auto gut auf der Straße liegen. Es wird deutlich: Der 300 SL ist ein Sportwagen reinsten Wassers. Dennoch hat er hervorragende Alltagsqualitäten, die von vielen Besitzern geschätzt werden: Sie nutzen den Sportwagen gern als schnelles Reisefahrzeug, das präzise zu fahren ist und den Fahrer nicht zu stark ermüden lässt. Der Kofferraum ist ausreichend groß, zusätzlich lässt sich hinter den Sitzen weiteres Gepäck unterbringen, vor allem, wenn man das maßgeschneiderte Kofferset mitbestellt hat.

Maxi Hoffman lässt nicht locker
Die ersten 300 SL werden 1954 zunächst in Europa verkauft. Maxi Hoffman erhält sein erstes Kundenauto im März 1955. Insgesamt werden 1400 Flügeltürer gebaut. Der größte Teil, etwa 1100 Stück, gelangen in die USA. Maxi Hoffman hatte also bei seiner Forderung nach diesem Auto den Markt dort sehr gut eingeschätzt – und hätte zufrieden sein können. Doch die Ansprüche seiner Kunden wachsen: Etwas mehr Komfort wünschen sie, meldet er nach Stuttgart, einen größeren Kofferraum und oft sogar ein Cabriolet. Ob so etwas nicht machbar sei? Es ist – und kommt 1957 in Form des 300 SL Roadster.

Technische Daten des Mercedes-Benz 300 SL, W 198 I, 1954-1957
Allgemeine Daten

  • Radstand: 2400 mm
  • Spur vorne/hinten: 1385/1435 mm
  • Maße L x B x H: 4520 x 1790 x 1300 mm
  • Wendekreis: 11,5 m
  • Wagengewicht: 1295 kg (fahrbereit)
  • Zul. Gesamtgewicht: 1555 kg
  • Höchstgeschwindigkeit: 235 km/h bis 260 km/h, je nach Hinterachsübersetzung
  • Beschleunigung 0-100 km/h: 10 s
  • Verbrauch nach DIN: 9,5 l
  • Kraftstofftank: 100 l im Heck

Motor
Daimler-Benz M 198 Reihensechszylinder mit Direkteinspritzung

  • Hubraum: 2996 cm3
  • Bohrung x Hub: 85 x 88 mm
  • Leistung: 215 PS bei 5800/min
  • Drehmoment: 28 mkg bei 4600/min
  • Verdichtungsverhältnis: 1 : 8,55
  • Gemischaufbereitung: Direkteinspritzung, mechanisch geregelt; Sechsstempel-Einspritzpumpe
  • Ventile: hängend, 2 je Zylinder, obenliegende Nockenwelle, Antrieb durch eine Duplex-Rollenkette
  • Schmierung: Trockensumpf-Schmierung

Mercedes-Benz Links:


Beitrag zuletzt aktualisiert am 24. März 2021